Ehevertrag
BGH-Urteil vom
11.02.2004 - XII
ZR 265/02 zu § 1408 BGB
(unter Aufhebung OLG München
Urteil vom 25.06.2002 = DNotI-Report 2003, 4)
Die seit 2001
geschiedenen
Parteien hatten 1985 geheiratet. Der 1948 geborene Ehemann ist
Unternehmensberater; seine sieben Jahre jüngere Ehefrau hatte
vor
der Ehe ein
Hochschulstudium abgeschlossen und war als Archäologin
tätig
gewesen. 1988,
zwei Jahre nach Geburt ihres ersten und rund ein Jahr vor Geburt ihres
zweiten
Kindes, vereinbarten sie Gütertrennung, schlossen den
Versorgungsausgleich aus
und verzichteten wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt mit Ausnahme
des
Unterhalts der Ehefrau wegen Kindesbetreuung. Der Ehemann verpflichtete
sich im
übrigen, durch laufende Prämienzahlungen für
seine
Ehefrau auf deren 60.
Lebensjahr eine Kapitallebensversicherung mit einer erwarteten
Ablaufleistung von
rund DM 172.000 zu begründen.
Zum Kernbereich gehören in erster Linie der Unterhalt wegen Kindesbetreuung und in zweiter Linie der Alters- und Krankheitsunterhalt, denen der Vorrang vor den übrigen Unterhaltstatbeständen (z.B. Ausbildungs- und Aufstockungsunterhalt) zukommt. Der Versorgungsausgleich steht als vorweggenommener Altersunterhalt auf gleicher Stufe wie dieser selbst und ist daher nicht uneingeschränkt abdingbar. Der Ausschluss des Zugewinnausgleichs schließlich unterliegt - für sich allein genommen - angesichts der Wahlfreiheit des Güterstandes keiner Beschränkung.
Der Tatrichter hat daher in einem ersten Schritt gemäß § 138 I BGB eine Wirksamkeitskontrolle des Ehevertrages anhand einer auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezogenen Gesamtwürdigung der individuellen Verhältnisse der Ehegatten vorzunehmen, insbesondere also hinsichtlich ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse und ihres geplanten oder bereits verwirklichten Lebenszuschnitts. Das Verdikt der Sittenwidrigkeit wird dabei regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn durch den Vertrag Regelungen aus dem Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder jedenfalls zu erheblichen Teilen abbedungen werden, ohne dass dieser Nachteil durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen Verhältnisse der Ehegatten gerechtfertigt wird. Ergibt diese Prüfung, daß der Ehevertrag unwirksam ist, treten an dessen Stelle die gesetzlichen Regelungen.
Andernfalls ist in
einem zweiten
Schritt im Wege der Ausübungskontrolle (§ 242 BGB) zu
prüfen, ob und inwieweit
die Berufung auf den Ausschluss gesetzlicher Scheidungsfolgen
angesichts der
aktuellen Verhältnisse nunmehr missbräuchlich
erscheint und
deshalb das
Vertrauen des Begünstigten in den Fortbestand des Vertrages
nicht
mehr
schutzwürdig ist. In einem solchen Fall hat der Richter die
Rechtsfolge
anzuordnen, die den berechtigten Belangen beider Parteien in
ausgewogener Weise
Rechnung trägt.